Objekt des Monats Juli 2021

Veröffentlichungsdatum01.07.2021Lesedauer3 Minuten

Vor 500 Jahren 

Ein Dokument beendet einen Streit zwischen Friedersbach und Rudmanns

Als am 18. September 1159 Bischof Konrad von Passau, der Bruder Herzog Heinrichs II. Jasomirgott, die Kirche des 1138 gegründeten Zisterzienserklosters Zwettl weihte, legte er außerdem in einer Urkunde die Grenzen der eben errichteten Pfarre Friedersbach fest. Durch den fortschreitenden Siedlungs- und Herrschaftsausbau im frühen 12. Jahrhundert waren die Interessens-, Macht- und Zehentverhältnisse in dieser Region nicht eindeutig geregelt, und Konflikte zwischen den Grundherrschaften um deren Einflusssphären sollten durch solche Grenzziehungen verhindert werden.

Die Festlegung der Friedersbacher Pfarr- und Herrschaftsgrenzen von 1159 dürfte zumindest an einer Stelle nicht ganz eindeutig gewesen sein, denn um die Mitte des 15. Jahrhunderts brach ein vermutlich lange schwelender Streit um ein Grundstück offen aus, das an der Grenze zwischen Rudmanns (Herrschaft Stift Zwettl) und Friedersbach (Herrschaft Lichtenfels) lag. 1445 berief deshalb Kaiser Friedrich III. den Abt des Klosters und die Inhaber der Herrschaft Lichtenfels als Vertreter der Streitparteien nach Wiener Neustadt, um den Konflikt zu schlichten, was aber nicht gelang. Das Weideland an der Grenze zwischen Rudmanns und Friedersbach wurde damals zwar der Herrschaft Stift Zwettl und damit den Rudmannsern zugesprochen, die Friedersbacher Bauern beanspruchten es aber weiterhin als ihren Besitz.

Erst 76 Jahre später konnte man diesen nachbarlichen Konflikt schlichten. Am 23. Juli 1521 bestellte Erzherzog Ferdinand eine Kommission in das Stift Zwettl, bestehend aus Pilgram von Puchhaim, dem Erbtruchseß von Österreich, Wilhalm von Neydeck zu Rastenberg und Michael Aunburger, um den Grundstreit endgültig beizulegen. Und tatsächlich konnten diese Herrn einen Vergleich herbeiführen. Abt Erasmus Leisser verzichtete wegen der großen Armut der Friedersbacher auf das strittige Grundstück. Er verlangte dafür aber von jedem Haus in Friedersbach pro Jahr einen Pfennig Weidegeld und stellte außerdem die Bedingung, dass das umstrittene Land in Zukunft den Namen „Gunstfeld“ tragen sollte, zur ewigen Erinnerung an die von ihm und seinem Konvent den Bewohnern von Friedersbach erwiesene Gunst. Die Flur an der Grenze zu Rudmanns, nördlich der heutigen Bundesstraße 37, trägt auch jetzt noch diesen Namen.

Zumindest zwei Urkunden, die diese Einigung bestätigen, wurden an diesem 23. Juli 1521 im Stift Zwettl ausgefertigt. Eine davon befindet sich seither im Stiftsarchiv (Sign. 1521-VII-23). Ein weiteres Exemplar bewahrt das Stadtarchiv Zwettl auf (Sign. 01-087). Es ist ein purer Zufall, dass diese zweite Pergamenturkunde nicht verloren ging, sondern heute sicher aufbewahrt wird. Sie befand sich zuletzt im Nachlass des 1982 im Ottensteiner Stausee ertrunkenen Zwettler Gärtners Rudolf Sattig.

Rudolf Sattig (1903–1982) war als Büchernarr und leidenschaftlicher Sammler ein Zwettler Original. Wie diese Urkunde in seinen Besitz kam, wird wohl nie festzustellen sein. Sie befand sich in einer großen Holzkiste zwischen alten Zeitungen, Versandhauskatalogen und anderer Makulatur in einem Raum im alten Rathaus von Zwettl, den Sattig nach 1975 mit Genehmigung der Gemeindeverwaltung als Aufbewahrungsort für seine wertvollen Bücher verwenden durfte. Als nach seinem Tod die meisten der Bücher über Wunsch der Erben an das Dorotheum in Wien gingen, wurde der Rest der Sammlung im Auftrag der Gemeinde durchgesehen. Dabei fand sich in besagter Kiste, deren Inhalt zunächst als Papierabfall angesehen wurde, die Urkunde aus dem Jahr 1521. Sie war in höchst bedauernswertem Zustand. Mittlerweile ist sie fachmännisch restauriert und wird sicher verwahrt.

Ein Kurzregest zu diesem interessanten Dokument und die Transkription des Textes finden sich auf der Homepage des Stadtarchivs Zwettl:

https://www.stadtarchiv-zwettl.findbuch.net/php/main.php#30312e2055726b2ex87 

Pergamenturkunde