Thema des Monats August 2023

Veröffentlichungsdatum01.08.2023Lesedauer3 Minuten
ein steinerner Torbogen

Propstei, Einfahrtstor

Vor 100 Jahren:
Auflösung des Armenhauses/Altersheimes in der Propstei

Im August 1923 wurde über Verfügung der Landesregierung das seit fast 20 Jahren bestehende Bezirksaltersheim in der Propstei Zwettl aufgelöst. Die Armen kamen zum Großteil in das Altersheim in Raabs an der Thaya, einige in das Zwettler Bürgerheim (ursprünglich Bürgerspital), die geistlichen Schwestern, welche in den letzten Jahren die alten Leute betreut hatten, übersiedelten in das Siechenhaus Allentsteig. Die Räumlichkeiten im Propsteigebäude wurden zu Beamtenwohnungen umgebaut. 

Die Vorgeschichte
Nachdem Kaiserin Maria Theresia 1751 die Propstei Zwettl aufgelöst hatte, ging der gesamte Besitz in das Eigentum des Theresianums in Wien über. Er sollte nun der Erhaltung dieser neugegründeten Schule dienen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschloss die Theresianische Güterdirektion, die Propstei Zwettl mit allen dazugehörigen Grundstücken zu verkaufen. Die erst 26 Jahre vorher gegründete Sparkasse der landesfürstlichen Stadt Zwettl konnte 1882 den gesamten Besitz um 35.000 Gulden erwerben.
Nun war allerdings guter Rat teuer, wie man die doch recht umfangreichen Baulichkeiten sinnvoll nutzen sollte. 1884 überlegten die Verantwortlichen, hier eine Wohltätigkeitsanstalt, etwa ein Versorgungsheim für verwahrloste oder „schwachsinnige“ Kinder zu errichten. Man nahm deshalb auch Kontakt zu Landesstellen und zu Josef Schöffel auf, über dessen Initiative in Mödling ein Waisenhaus errichtet worden war. Die Gemeindeväter und Sparkassenverantwortlichen kamen aber von dieser Idee ab, da sie für die Bank bedeutende finanzielle Nachteile gebracht hätte.
Im Oktober 1885 konnte die über Initiative von Bezirkshauptmann Alexander Sauer-Csaky von Nordendorf eben gegründete Korbflechterschule im Propsteigebäude einziehen. Für die Benützung der Räumlichkeiten verlangte die Bank keine Miete. Der Bezirkshauptmann hatte erkannt, dass die Waldviertler Hausweberei wegen der aufkommenden starken industriellen Konkurrenz in einer tiefen Krise steckte. Er dachte, die Umstellung der bäuerlichen Hausindustrie von Textilien- auf Korbwarenerzeugung könnte ein Ausweg sein. Dem war letztlich aber nicht so, denn in Böhmen und Galizien wurden massenhaft billige Korbwaren produziert, und so stellte die Zwettler Korbflechterschule 1905 ihren Betrieb ein.
Schon Kaiser Josef II. hatte 1783 die Armenversorgung in Österreich neu organisiert. Pfarr-Armeninstitute wurden gebildet. Nach mehreren Reformen gründete man 1893 Bezirksarmenräte, die für die Versorgung der Armen im jeweiligen Gerichtsbezirk zuständig waren.
Obmann dieser Einrichtung in Zwettl war der seit 1894 nebenberuflich und ehrenamtlich in der Armenversorgung tätige Schuldirektor Josef Traxler. Da ab 1905 die Räume im Propsteigebäude leer standen, war es Traxler möglich, sie ab diesem Jahr als Bezirksarmenhaus zu nützten. Man konnte nun die alten, teils pflegebedürftigen Menschen aus der Haarstube und dem Armenhaus im Oberhof (Schwarzenauer Straße 3) hier unterbringen. Im selben Jahr erhielt das Haus auch einen Telefonanschluss. Die Pflege der hilfsbedürftigen Heimbewohner übernahm wieder eine geistliche Schwester.
Im Februar 1922 bestand die Gefahr, dass die Steuerbehörde (heute Finanzamt) aus Zwettl in eine andere Stadt verlegt werden könnte. Die Gemeinde bemühte sich nach Kräften das zu verhindern und Bürgermeister Franz Beydi verhandelte mit den zuständigen Stellen. In der Finanzlandesdirektion in Wien erklärte man ihm, dass die Behörde sehr wohl in Zwettl bleiben könne, ja sogar personal- und kompetenzmäßig aufgewertet würde, wenn die Stadt geeignete Wohnungen für Beamte zur Verfügung stellen würden. Da in Zwettl keine freien Wohnungen vorhanden waren, die Erhaltung und Vergrößerung der Behörde für die Stadt aber als äußerst wünschenswert erschien, bemühte sich der Gemeinderat, den Mietvertrag mit dem Bezirksarmenrat einvernehmlich zu lösen. Das Bezirksarmenhaus war zu dieser Zeit ohnehin nicht voll belegt, und so stimmte der Armenrat zu. Die Landesregierung löste daraufhin das Armenhaus auf. Die Räume im Propsteigebäude wurden nun zu Wohnungen umgestaltet. 

Quellen:
Pfarrarchiv Zwettl, Pfarrgedenkbuch, Eintragungen von 1923. Gemeinderatsprotokolle: 30. Dezember 1884, 10. Mai 1885, 13. Oktober 1885, 28. April 1905, 20. Februar 1923.