Thema des Monats Dezember 2022

Veröffentlichungsdatum01.12.2022Lesedauer3 Minuten

Vor rund 100 Jahren

Ein Blick die Landstraße aufwärts

obere Landstraße, nach 1900Rechts vor dem Gebäude mit dem Erker steht ein Wagen. Bis 1901 beherbergte dieses Haus, heute Landstraße 32, Waffengeschäft Enengl, das Postamt und davor auch das k. k. Poststallamt, das für die Überland-Postbotenfahrten mit Kutschen zuständig war. Etwas weiter die Straße aufwärts sieht man eine der mächtigen Straßenlaternen, die schon mit elektrischem Strom betrieben wurde, den die Zwettler Elektricitäts Genossenschaft Z. E. G. in ihrem Kraftwerk im Kamptal produzierte. Da aber auf dem Bild nur die eine Laterne zu sehen ist, dürfte die Intensität der Straßenbeleuchtung damals nicht allzu groß gewesen sein. Am oberen Ende der Landstraße sieht man rechts das Dach des Jubiläumshauses, das anstelle des Schickenhofischen Freihauses von der Sparkasse der Stadt Zwettl als Wohnhaus errichtet worden war und 1898 anlässlich des 50jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josefs eröffnet wurde. Links oben ragt das steile Dach des Antonturmes ein wenig über die Häuser empor.

Entlang der Häuserfronten verlaufen bereits gepflasterte Gehsteige. Sie sind etwa zwei Meter breit und wurden in der Landstraße im Jahr 1867 zum Teil neu angelegt, stellenweise bestanden sie wahrscheinlich auch schon früher. Die Gemeinde wollte damals die Trottoirs vor den Häusern der Landstraße durchgehend regulieren und pflastern. Dabei trug die Stadtverwaltung die Materialkosten, während die Hausbesitzer die Arbeitslöhne übernehmen sollten. Die meisten Hauseigentümer erklärten sich damit einverstanden. Ein Überqueren der Straße war damals im Winter oder bei Regenwetter trockenen Fußes kaum möglich. Man beachte die Straßenoberfläche, wo sich im Schlamm die Fahrspuren deutlich abzeichnen.

Zahlreiche kahle Bäume säumen die Straße, da das Foto offensichtlich während der kalten Jahreszeit entstanden ist. Das Bild stammt aus dem Zwettler Fotoatelier Scheider. Am 5. September 1918 meldete der 1892 geborene Karl Scheider im Haus Kaiser-Wilhelm-Straße 65 in Zwettl (heute Landstraße 65) den Handel mit Gebetbüchern, Kalendern und Heiligenbildern sowie mit Papier, Papierwaren, Ansichtskarten und fotografischen Bedarfsartikeln an. Als Geschäftsführer fungierte Othmar Scheider, der am selben Tag den Gewerbeschein für die Porträt-Fotografie erhielt. Scheider besaß spätestens seit 1908 auch in Wien VIII, Lerchengasse 6a ein Atelier. Diese Adresse scheint auf der Rückseite mancher seiner Fotos mit Zwettl-Motiven auf. Scheiders Gewerbekonzession in Zwettl wurde erst mit 25. Juli 1942 zurückgelegt.

Vor rund 80 Jahren

Allentsteiger Straße

Allentsteiger Straße, um 1940Bis 1936 verlief die Allentsteiger Straße von der Oberhofer Brücke an nicht unmittelbar am Kampufer so wie heute, sondern ab dem Haus Nr. 1, der ehemaligen Stiftstaverne, hinter den Häusern Nr. 2 bis 4 hart am Hang des Weinberges bis zum Marterl, dem sogenannten Rittersprung, wo sie dann das Flussufer erreichte. Die Straße, die damals landläufig Stifter-Straße hieß, war gerade in diesem Bereich sehr schmal und wies knapp hinter der Stiftstaverne eine sehr enge Kurve auf, sodass immer nur ein Wagen passieren konnte, was den Verkehr zwischen Kloster und Stadt stark behinderte. 1935/36 wurde die Straße zwischen die Häuser und den Kamp verlegt. Diese Baumaßnahme geschah auf Initiative des Bauernfunktionärs Pater Werner Deibl. Sie wurde wesentlich über die „Produktive Arbeitslosenfürsorge“ finanziert, eine staatliche Maßnahme, mit der man in der Ersten Republik die extrem hohe Arbeitslosigkeit einzudämmen versuchte. Seit damals heißt die Straße Allentsteiger Straße, auch wenn man auf ihr heute, nach Errichtung des Truppenübungsplatzes ab 1938, die Stadt Allentsteig nicht mehr erreichen kann.

Wie auf dem Bild zu sehen ist, war die Fahrbahn damals nicht befestigt bzw. staubfrei. Sie wurde zwar immer wieder beschottert, und der zuständige Straßenwärter versuchte ständig die gröbsten Unebenheiten zu planieren. Vor allem im Winter und bei Schlechtwetter war die Benützung der Straße beileibe kein Vergnügen, und das blieb auch bis in die 1960er-Jahre so.