Zwettler Stadtgeschichte neu aufgerollt

Veröffentlichungsdatum10.08.2022Lesedauer3 Minuten
Bei einem Besuch im Zwettler Stadtarchiv überzeugte sich Landesrat DI Ludwig Schleritzko (2. v. l.) von den historischen Schätzen.

Mit seinen Digitalisierungen und Forschungen nimmt das Stadtarchiv Zwettl bei vielen Historikern eine Vorbildfunktion ein. Stadtarchivarin Elisabeth Moll, MBA, begrüßte am 26. Juli Landesrat DI Ludwig Schleritzko und ging mit ihm auf Spurensuche der Zwettler Stadtgeschichte. 

Das Stadtarchiv Zwettl dokumentiert die Geschichte der Stadt und der Region von den Anfängen bis in die Gegenwart. Das älteste erhaltene Dokument ist eine Urkunde aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Mit seinen zahlreichen historischen Dokumenten der Stadtverwaltung, die teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, fungiert das Stadtarchiv Zwettl als „Gedächtnis der Stadt und Region“. 

Zank zwischen Pfarrer und Schlosser

Besonders die Transkriptionen der Ratsprotokolle sind ein einzigartiges Projekt. In den Zwettler Ratsprotokollen wurden die Mitschriften von den Sitzungen des Stadtrates gesammelt. Sie zeichnen somit ein buntes Bild der Vergangenheit. In ihnen sind sowohl städtischer Alltag und Ordnung des Gemeinwesens als auch Konflikte und Gerichtangelegenheiten dokumentiert. „In früherer Zeit ist man wegen allen möglichen Kleinigkeiten zu Gericht gegangen, weil die persönliche Ehre einen anderen Stellenwert hatte als heute“, erklärt Stadtarchivarin Elisabeth Moll. 

Betrunkene Bürgersöhne, zänkische Weiber und randalierende Handwerksburschen störten die Ruhe in der Stadt. Als etwa Zwettls erste Schule, das „Schubert Stüberl“ verkauft wurde, zog der Schlosser Matthias Klinger ein, der mit seinem Handwerk Lärm erzeugte und Schweine hielt. Es gab deshalb einen massiven Konflikt zwischen dem Pfarrer Dominik Ertl und Klinger. Das Kreisland entschied, dass in diesem Haus weder ein Gewerbe betrieben werden darf, das Lärm erzeugt, noch dass in dem Haus Schweine gehalten werden dürfen.

470 Jahre Geschichte per Mausklick zugänglich

Diese alten handschriftlichen Texte der Ratsprotokolle wurden in mühsamer Kleinarbeit in digitale Textdokumente übertragen und seit 2004 online gestellt. Damit sind die historischen Texte weltweit abrufbar und für alle Interessenten leicht und vor allem auch gratis zugänglich. Mit Jahreswechsel 2020/21 konnte dieses Projekt, das in den 1990er Jahren begonnen wurde, abgeschlossen werden. Nun stehen mit allen transkribierten Ratsprotokollen rund 470 Jahre Zwettler Geschichte online zur Verfügung. Sie stoßen auch in Fachkreisen auf breite Akzeptanz und bilden bis heute die Grundlage für zahlreiche Forschungsarbeiten, wie beispielsweise für das Projekt „Stadtgeschichte Zwettl“.

Vier Epochen werden aufgearbeitet

Dieses einzigartige Forschungsprojekt startete Mitte 2018 in Zusammenarbeit zwischen dem Stadtarchiv Zwettl mit dem „Netzwerk Geschichte“ und wird durch das Land Niederösterreich gefördert. Die Stadtarchivare und rund 20 Wissenschaftler arbeiten die Geschichte Zwettls in vier Epochenblöcken auf, schließen Lücken und bringen das Wissen auf den aktuellen Stand der Geschichtsforschung. So entsteht Schritt für Schritt eine exemplarische Stadtgeschichte – also Zwettl als „typische“ Stadt Niederösterreichs.

Dem guten Ruf des Stadtarchivs ist es zu verdanken, dass immer wieder wertvolle Vor- und Nachlässe zur Übernahme angeboten werden. So finden sich zahlreiche interessante Sammlungen in den Beständen, wie etwa der Vorlass von Grete Stadlhuber zum Kaufhaus Thum und Leopold Rechberger zur Kultur im Waldviertel, oder der Nachlass des Ehepaars Wagesreiter zum Schloss Rosenau.

Info zum Bild: Bei einem Besuch im Zwettler Stadtarchiv überzeugte sich Landesrat DI Ludwig Schleritzko (2. v. l.) von den historischen Schätzen. Mit im Bild (v. l.): Dr. Roman Zehetmayer (Leiter Landesarchiv), Bürgermeister LAbg. ÖkR Franz Mold und Stadtarchivarin Elisabeth Moll, MBA.