Vor 60 Jahren: Bürgermeisterwechsel in Zwettl - Hermann Feucht (ÖVP) folgt auf Johann Winkler (SPÖ)

Veröffentlichungsdatum02.08.2006Lesedauer3 Minuten

Am 19. September 1946 wurde Hermann Feucht zum Bürgermeister der Stadt Zwettl gewählt. Er trat dieses Amt, das er bereits von 1934 bis 1938 inne gehabt hatte, in einer äußerst schwierigen Zeit und unter Voraussetzungen an, die man sich heute nur schwer vorstellen kann.

Hermann Feucht       Johann Winkler
Hermann Feucht                     Johann Winkler

Unmittelbar nach Kriegsende, noch im Mai 1945, hatten die sowjetischen Besatzer Mag. Josef Schüller zum Bürgermeister ernannt, und am 21. Juli konstituierte sich der Zwettler Gemeinderat. Er bestand zunächst aus 18 Mitgliedern (8 SPÖ, 8 ÖVP, 2 KPÖ) und musste wenig später auf 15 reduziert werden (7 ÖVP, 6 SPÖ, 2 KPÖ), weil neue Verordnungen eine Staffelung der Gemeinderatsmandate entsprechend der Bevölkerungszahl vorsahen. Die Gemeinderäte waren noch nicht frei gewählt, sie wurden vielmehr vom Provisorischen Landesausschuss über Vorschlag der örtlichen Parteien ernannt. In Österreich waren damals nur ÖVP, SPÖ und KPÖ als politische Parteien zugelassen. Die ersten allgemeinen und freien Gemeinderatswahlen nach dem Krieg fanden in Niederösterreich erst am 7. Mai 1950 statt.
Neben Bürgermeister Schüller amtierten zunächst zwei Vizebürgermeister, nämlich Johann Winkler (SPÖ) und Georg Holtz (ÖVP). Als Mag. Josef Schüller im Sommer 1945 das Bürgermeisteramt zurücklegte, folgte ihm Johann Winkler nach, und es gab nur mehr einen Vizebürgermeister, der von der ÖVP gestellt wurde.
Anfang September 1946 teilte der Stadtkommandant der Roten Armee dem erst seit knapp einem Jahr amtierenden Bezirkshauptmann Dr. Wolfgang Lakenbacher mit, dass er mit Bürgermeister Winkler unzufrieden sei. Der Kommandant meinte, er habe mit Winkler keine gute Gesprächsbasis und dem Bürgermeister mangle es überhaupt an jeder Initiative. Der Bezirkshauptmann schlug einen Bürgermeisterwechsel vor und erklärte, dass es der Mandatsverteilung im Gemeinderat und auch im Landtag ohnehin mehr entsprechen würde, wäre ein ÖVP-Mann Bürgermeister in Zwettl. Für dieses Amt bot sich nach Meinung des Bezirkshauptmanns Hermann Feucht an, der seit März 1946 das Amt des Vizebürgermeisters inne hatte. Johann Winkler sollte mit Hermann Feucht einfach die Position tauschen und als Vertreter der zweitstärksten Fraktion den Posten des Vizebürgermeisters übernehmen. Mit Feucht war der sowjetische Stadtkommandant einverstanden, doch Winkler wollte er nicht akzeptieren.
Dr. Lakenbacher nahm mit den Parteienvertretern Gespräche auf. Die SPÖ erklärte, auf Winkler nicht verzichten zu können und drohte sogar, falls sie von den Sowjets unter Druck gesetzt werden sollte, geschlossen aus dem Gemeinderat ausscheiden zu wollen. In dieser schwierigen Verhandlungsphase erschien überdies Kapitän Worabiow als Vertreter der sowjetischen Kommandantur beim Bezirkshauptmann und schlug vor, statt Johann Winkler Ferdinand Hutzler, einen der beiden Mandatare der örtlichen KPÖ, zum Vizebürgermeister ernennen zu lassen. Das wollte der Bezirkshauptmann aber keinesfalls akzeptieren, schließlich stellte die KPÖ ja die schwächste Fraktion. Lakenbacher schlug vor, als Kompromiss neuerlich einen zweiten Vizebürgermeisterposten zu schaffen und diesen mit Hutzler zu besetzen oder Hutzlers Amt als geschäftsführender Gemeinderat mit Agenden aufzuwerten.
Irgendwie schaffte es Bezirkshauptmann Dr. Lakenbacher aber dann doch, die Sowjets von einem Kollisionskurs abzubringen und für seinen Weg zu gewinnen, denn der Stadtkommandant stimmte schließlich einer Rochade zwischen Feucht und Winkler zu, offenbar ohne weitere Forderungen und Bedingungen zu stellen.
So legte Johann Winkler in der Gemeinderatssitzung vom 19. September 1945 sein Amt als Bürgermeister zurück, und der Gemeinderat wählte Hermann Feucht einstimmig zum neuen Stadtoberhaupt. Auch die Wahl Winklers zum Vizebürgermeister erfolgte einstimmig.
Es dauerte bis zur Gemeinderatswahl vom 7. Mai 1950, dass die Bewohner von Zwettl selbst über die Zusammensetzung ihres Stadtparlaments entscheiden konnten und erst nach diesem Termin waren die gewählten Gemeinderäte frei von Einflussnahme, unmittelbarem Druck und Nötigung von außen. Hermann Feucht blieb übrigens bis 1960 Bürgermeister der Stadtgemeinde Zwettl.

F. Moll, Juli 2006

Quellen:
Stadtgemeinde Zwettl, Gemeinderatsprotokolle 1945/46
StAZ, Kart. 123, Nr. 202, 519, 565; Kart. 124.
NÖLA (Außenstelle Bad Pirawarth), Archiv BH Zwettl, Kart. BH Zwettl 1946, Gr. I, 303,
Gedächtnisprotokoll HR Dr. Wolfgang Lakenbacher vom 20. September 1946.