Archäologische Grabungen auf der Propstei

Veröffentlichungsdatum19.04.2010Lesedauer2 Minuten
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Die Stadtgemeinde Zwettl will dem Wunsch der Bevölkerung entsprechen und den Propsteifriedhof vergrößern. Eigner des Grundes und der Propsteikirche ist die Sparkasse Waldviertel-Mitte Privatstiftung. Deren Vorstand trat dafür ein, die Friedhofsvergrößerung nicht in Form eines vorgelagerten Anbaues zur bestehenden Anlage vorzunehmen, sondern nahe der Kirche, nämlich dort, wo sich vermutlich einst Burg und Friedhof befanden. Da es sich bei diesem Gebiet um einen historisch sensiblen Bereich handelt, lud die Stiftung das Akademikerpaar Karin und Thomas Kühtreiber ein, archäologische Untersuchungen vorzunehmen. Thomas Kühtreiber hatte sich bereits 1998 intensiv mit der Baugeschichte der Propstei befasst und seine Erkenntnisse im Zwettler Zeitzeichen Nr. 2 niedergeschrieben. Nun nahmen er und seine Frau, zwei führende Kräfte der Mittelalterarchäologie in Österreich, die die Burgenforschung zum Hauptschwerpunkt ihrer Forschungstätigkeit gewählt haben, an vier Tagen der Karwoche Sondierungsschnitte im Boden südlich und westlich der Kirche vor.

Ein Bagger hob an fünf Stellen Schicht für Schicht vorsichtig das Erdreich ab. Neben einer spätmittelalterlichen Friedhofsmauer trat auch deutlich jüngeres, frühneuzeitliches Mauerwerk zutage, das wahrscheinlich zu den barocken Umbaumaßnahmen der Propstei gehört hatte. Eine dicke Grabplatte, umfangreiches Schüttmaterial und zahlreiche Gräber wurden freigelegt. Teils schon in 30 Zentimeter Grabungstiefe, oft aus mehreren Lagen übereinander, bargen die beiden Archäologen menschliche Skelette, die auf die Nutzung des Areals über Jahrhunderte als Friedhof hinwiesen. Es bedarf zwar noch genauer Untersuchungen, aber Thomas Kühtreiber datiert die jüngsten Skelettfunde mit dem 17., höchstens 18. Jahrhundert. Und das passt zeitlich gut zu den Fakten der Lokalgeschichte, wonach die Pröpste im 17. Jahrhundert nachdrücklich die Auflassung des Propsteifriedhofes verlangten, weil sie in ihrer Residenz der Anblick der vielen Gräber störte. Christliche Gräber enthielten meist keine Grabbeigaben, einzig bei einem Skelett fanden die beiden Wissenschaftler einen barocken Rosenkranz. Weiters stießen sie auf eine sogenannte Topfbestattung, bei der dem Toten ein schön geformter Keramiktopf auf die Brust gestellt worden war.

Und wie wird das Grabungsprojekt abgeschlossen? Die Gemeinde wird die Gräben zuschütten lassen. Die geborgenen Skelette werden gereinigt und bezüglich Alter und Geschlecht bestimmt. Dann sollen sie für die Wiederbestattung einen würdigen Platz in geweihter Erde finden. Die beiden Archäologen werden ihre Arbeit auf der Propstei schriftlich dokumentieren. Diese Schriften werden der Sparkassen-Privatstiftung und dem Bundesdenkmalamt übermittelt. In Folge sollen sie als Entscheidungshilfe darüber herangezogen werden, ob und wie die Friedhofsvergrößerung angelegt werden soll.

NÖN/Zwettler Zeitung vom 8. April 2010