Zeitschrift „Das Waldviertel“ mit Beiträgen über Zwettl erschienen

Veröffentlichungsdatum21.12.2015Lesedauer6 Minuten
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 In der Ausgabe 4/2015 der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift „Das Waldviertel“, welche die Redaktion und die Autoren Friedel Moll anlässlich seines 70. Geburtstages widmeten, finden sich zahlreiche Beiträge prominenter Historikerinnen und Historiker. Fünf davon befassen sich mit Themen, die Zwettl unmittelbar betreffen:

Elisabeth Gruber / Martin Haltrich, / Edith Kapeller, Die Stadt erzählen. Von den Möglichkeiten eines Stadtarchivars.
MMag. Dr. Elisabeth Gruber, Assistentin am Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Wien und Mitarbeiterin am Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit in Krems, MMag. Dr. Martin Haltrich, Bibliothekar im Stift Klosterneuburg und die Zwettler Studentin der Germanistik und der Archivwissenschaft Edith Kapeller resümieren in diesem Beitrag über die Arbeit des Zwettler Stadtarchivars in den letzten Jahren.

Martin Scheutz, Spitalmeister in der Frühen Neuzeit – zur sozialen Verortung eines bürgerlichen Spitzenamtes am Beispiel der landesfürstlichen Stadt Zwettl
Univ.-Prof. Dr. Martin Scheutz vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien zeigt in seinem Beitrag Funktion, Stellung und die vielfältigen Aufgaben eines Spittelherrn oder Spitalmeisters auf, also des Leiters oder Verwalters eines städtischen Spitals in der frühen Neuzeit. Er geht dabei auch ganz explizit auf das Zwettler Bürgerspital ein. Der Autor beschreibt weiters eingehend und detailreich die Beziehung zwischen Stadtrat und Bürgerspital, hatte ersterer doch die Oberaufsicht über das Spital, welches in der frühen Neuzeit der bedeutendste Wirtschaftsbetrieb der Stadt war. Er, der Rat, bestellte den Spitalsverwalter und entschied über die Aufnahme von Kranken oder hilfsbedürftigen Personen in das Spital, fallweise aber auch über deren Ausschluss. Scheutz geht weiters auf die Wirtschaft und Betriebsführung des Zwettler Bürgerspitals ein und analysiert eingehend das Sozialprofil der Zwettler Spitalmeister vom 16. bis ins 18. Jahrhundert.
Ein ungemein wertvoller Beitrag für die Zwettler Stadtgeschichte, der eine Fülle von Informationen zum Bürgerspital, zum Wirtschaften in der Stadt, zur Stadtregierung und zu den sozialen Beziehungen enthält, die bisher nie in so kompakter, zugleich aber umfassender Weise dargestellt wurden.

Josef Pauser, Robert Bartsch und die Erforschung der Geschichte des „Räuberhauptmanns Grasel“
Dr. Josef Pauser, Leiter der Bibliothek des Verfassungsgerichtshofes und Lehrbeauftragter an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck schreibt über den Rechtshistoriker Robert Bartsch (1874-1955), der 1924 als erster eine umfassende wissenschaftliche Arbeit über den Räuber Johann Georg Grasel (1790-1818) verfasste, welcher er in den Jahren 1932 bis 1935 in der Zeitschrift „Das Waldviertel“ eine wesentlich erweiterte Zweitauflage folgen ließ. Bekanntlich beging Grasel 1814 in Zwettl sein größtes Verbrechen, wofür er 1818 in Wien gehenkt wurde.

Doris Gretzel, Caspar Narr, Ein Zwettler Bürger als „interim deß Closterß Vorsteher inspector et protector“
Die gebürtige Zwettlerin Mag. Doris Gretzel befasst sich in diesem Beitrag mit einer schillernden Persönlichkeit aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, mit dem Zwettler Bürger und Glasermeister Caspar Narr (auch Nahr oder Nar), der aus den Quellen des Stadtarchivs bisher vor allem als streitbarer Bürger bekannt war, welcher unter anderem einen Aufstand gegen die Stadtregierung anzettelte. Gretzel konnte für ihren Aufsatz Quellen aus dem Stiftsarchiv Zwettl heranziehen, die bisher nicht oder kaum verwendet wurden. Es gelingt ihr damit, völlig neue Bereiche im Leben des Caspar Narr und Facetten unserer lokalen Geschichte in der Endphase des Dreißigjährigen Krieges aufzuzeigen. So bemühte sich Narr während des Einfalls der Schweden quasi als Alleinverantwortlicher, das Stift Zwettl vor Plünderungen und Brandschatzung zu bewahren, was ihm auch weitgehend gelang, wiewohl er dafür einige Unbilden und sogar Kerkerhaft auf sich nehmen musste.

Herwig Weigl, Zwettl, Stendal und Rom, oder: Was tut ein Kleriker aus der Altmark im Waldviertel? Eine Episode aus der Pfarrgeschichte im 15. Jahrhundert
Ass.-Prof. Dr. Herwig Weigl vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung der Universität Wien analysiert in seinem mit äußerster Akribie und ungemeinem Fachwissen verfassten Beitrag die Vergabe von kirchlichen Ämtern im 15. Jahrhundert, die mit Einkünften (Pfründen) versehen waren. Er zog dafür unter anderem Quellen aus den Archiven des Vatikans heran, war doch die Päpstliche Kurie mit der Vergabe dieser Pfründe befasst. Dank Weigls umfassender Quellen- und Literaturkenntnis gelingt ihm der Nachweis, dass im 15. Jahrhundert beim Erwerb von Pfarrpfründen keineswegs im kleinen, lokalen Bereich gedacht wurde, dass vielmehr Geistliche aus weit entfernten Gegenden des Deutschen Reiches bei der Kurie in Rom ihr Interesse auch an für sie entlegenen Pfarren deponierten und die Betrauung damit häufig sogar einklagten. So kam es beispielsweise, dass 1429 ein Geistlicher aus dem fernen Stendal (heute Sachsen Anhalt) die Pfarre Zwettl erhielt, was bisher in der lokalen Geschichte völlig unbekannt geblieben war. Das Zentrum der Zwettler Pfarre war damals die St. Johanneskirche über die Stadt, die heutige Propsteikirche. Laut Herwig Weigl müssen die Pfründe der Pfarre Zwettl im 15. Jahrhundert weithin als recht einträglich gegolten haben.
Ein äußerst interessanter Beitrag, der viele neue Informationen zur Pfarrgeschichte enthält.

Andreas Gamerith, War er es? Neue Fragen zur Zuschreibung des Zwettler Hochaltars
Andreas Gamerith, Kunsthistoriker, Lehrbeauftragter an der Akademie der bildenden Künste in Wien, Archivar und Bibliothekar des Stiftes Zwettl, befasst sich in seinem Beitrag mit dem barocken Hochaltar der Kirche des Zisterzienserstiftes Zwettl. Seit dem 1940 erschienenen, von Paul Buberl verfassten Band der Kunsttopographie über das Stift Zwettl, wird einhellig die Meinung vertreten, der Goldschmied Johann Känischbauer sei der Verfasser des 1729 entstandenen Erstentwurfs zum Stift Zwettler Hochaltar gewesen. Gamerith stellt das in seinem mit wunderschönen Bildbeispielen versehenen Beitrag in Frage und bringt Johann Christoph Mader, den Hofbildhauer des Prinzen Eugen als Autor ins Spiel. Gamerith führt dazu mehrere Indizien an, ohne jedoch den Beweis antreten zu können, da die Planungsgeschichte des Zwettler Hochaltars nach wie vor sehr verworren ist. Ein spannender Beitrag, der zeigt, dass die Forschung ständig im Fluss ist und dass auch tradierte Meinungen durchaus zu hinterfragen sind.

Friedrich Polleroß, Barocke Neuerwerbungen für das Museum für Alltagsgeschichte in Neupölla
Dr. Friedrich Polleroß, Kunsthistoriker am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien, Museumsgründer und –leiter in seiner Heimatgemeinde Neupölla, berichtet in diesem reich illustrierten Beitrag über den Erwerb barocker Bilder und Druckwerke durch das Museum für Alltagsgeschichte in Neupölla. Bei den angekauften Büchern handelt es sich unter anderem um Werke des renommierten und hochgebildeten Theologen Johann Ernst von Jamaigne (1648-1719), der unter anderem als Pfarrer und Dechant in Altpölla wirkte. Auch die barocken Altarbilder stammen von einem in der Region bekannten und verwurzelten Künstler, nämlich von Johann Leopold Daysigner, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Südmähren lebte und arbeitete. Von ihm stammt übrigens auch das Altarbild in der Zwettler Stadtpfarrkirche. Ein Beweis dafür, dass das Waldviertel im 17. und 18. Jahrhundert keineswegs ein provinzieller Rückzugsraum war.

Walpurga Oppeker, Bethlehem in Niederösterreich. Ein Besuch in der Geburtsgrotte des ehemaligen Servitenklosters Schönbühel an der Donau
Walpurga Oppeker, Kunsthistorikerin aus Tulln, berichtet in ihrem mit zahlreichen erläuternden Bildern versehenen Beitrag über die Entstehungsgeschichte und Ausstattung einer der seltenen Darstellungen der Geburtsgrotte Jesu in Europa. Über Wunsch der Kaiserin Eleonora, der Witwe nach Kaiser Ferdinand III., sollte Konrad Balthasar Graf Starhemberg ab 1670 nahe seinem Schloss Schönbühel an der Donau den ersten Nachbau der Bethlehemer Geburtsgrotte in Europa errichten. Oppeker vergleicht in ihrer Arbeit die ursprüngliche Ausstattung der Schönbüheler Grotten an Hand historischer Darstellungen aus der Nationalbibliothek mit dem aktuellen Zustand. Ein mit großer Sachkenntnis und Akribie erstellter Beitrag.

Das Heft ist zum Preis von € 8,-- (excl. Porto) erhältlich über: http://www.daswaldviertel.at.