Die Geschichte des Hundertwasserbrunnens

Veröffentlichungsdatum23.10.2019Lesedauer7 Minuten
Eröffnungsfest für den Hauptplatz und seinen Hundertwasserbrunnen

Eröffnungsfest für den Hauptplatz und seinen Hundertwasserbrunnen mit Bürgermeister Pruckner und Dominic Heinzl

Der Hundertwasserbrunnen – ein langer Weg bis zum vollendeten Kunstwerk

Gegrübelt und diskutiert wurde schon lange! Die Landstraße war bereits neu gestaltet worden, nun sollte 1993/94 der Hauptplatz folgen. Schnell war klar, dass ein neuer Brunnen den Platz zieren sollte. Doch in welchem Stil sollte dieser ausgeführt werden? Was würde sich am besten in das alte, gewachsene Ensemble am Hauptplatz einfügen? Oder sollte man doch einfach eine „Nachbildung des ursprünglichen, barocken Brunnens“ vorsehen?

Am 21. Jänner 1993 berichtete die NÖN, dass Architekt Gattermann den Gemeindevertretern ein Modell des Hundertwasser-Brunnens vorgestellt hatte, das „in ungefähr vier Wochen auch der Öffentlichkeit präsentiert“ werden sollte, und dann jeder „positive und negative Kritik anbringen“ könnte.[i] Man freute sich darauf, dass in absehbarer Zeit auch die Kunst des 20. Jahrhunderts durch Friedensreich Hundertwasser unter den verschiedenen Kunstrichtungen in der Stadt Zwettl vertreten sein würde, was den Bekanntheitsgrad steigern sollte.

Nachdem am Freitag, den 30. Jänner 1993, das Brunnenmodell der Öffentlichkeit präsentiert worden war, beherrschte der Hundertwasserbrunnen über Wochen die lokalen Medien. Die NÖN titelte ihre nächste Ausgabe mit: „Brunnenmodell teilt Zwettler in zwei Lager – Hundertwasser-Projekt ist äußerst umstritten!“[ii]

Die Präsentation der geplanten Umgestaltungsmaßnahmen auf dem Zwettler Hauptplatz hatte für heftige Debatten zwischen den Anrainern gesorgt. Friedensreich Hundertwasser hatte einen Brunnen, „eine Oase zum Angreifen, Hineingreifen, Hinsetzen“ entworfen. Beim Pavillon schwebte ihm vor, dass dieser „eine Art Kommunikationszentrum“ werden sollte. Einige sahen im gesamten Brunnenensemble ein „farbiges, provokantes Kunstwerk“. Außerdem stellte das Modell den Brunnen alleine dar, nicht aber in seiner Wirkung in der vorhandenen Bausubstanz. Es konnte kein Größenvergleich angestellt werden, weil die historischen Häuser nicht im Modell erfasst worden waren. Man munkelte sogar, dass Zwettl „ein Standort zweiter Wahl“ gewesen wäre und Hundertwasser einen ähnlichen Brunnen zwei Jahre zuvor für Krems entworfen habe, der von der dortigen Stadtverwaltung jedoch abgelehnt worden war.[iii]

Ein weiterer Kritikpunkt war, dass die Umgestaltung des Hauptplatzes noch vor Fertigstellung des neuen Parkdecks gemacht werden sollten, was manche als „Schildbürgerstreich“ bezeichneten. Die Parkplätze am Hauptplatz fielen der Neugestaltung zum Opfer, ohne dass zuvor neue „Ersatzparkplätze“ geschaffen worden wären.

Nichts desto trotz beschloss der Zwettler Gemeinderat am 15. März 1993, mitten am Zwettler Hauptplatz den Hundertwasserbrunnen errichtet zu lassen. Die Zwettler Stadtväter zeigten mit ihrer Entscheidung Zivilcourage und Mut. Sie ergriffen eine einmalige Chance, als der weltberühmte Künstler Hundertwasser sich bereiterklärte, just für Zwettl zu arbeiten, während er ähnliche Projekte in rauen Mengen ablehnte. 

Die Diskussionen wollten nicht abreißen. Zahlreiche Zwettler stiegen auf die Barrikaden. Ein Personenkomitee wandte sich mit einem offenen Brief an die Stadtverwaltung, in dem es sehr kritisch zu dem Projekt Stellung nahm. Man bekrittelte, dass „nicht künstlerische Überlegungen im Vordergrund stünden sondern vor allem die Werbewirksamkeit des Namens Hundertwasser“.[iv] Das Personenkomitee machte sich „große Sorgen um die Erhaltung des Stadtbildes“, und dass der Brunnen „auf diesem harmonisch gewachsenen Platz geradezu „exotisch“ wirken und ein Fremdkörper bleiben“[v] würde. Auch dass die Bürger und ansässigen Künstler vor vollendete Tatsachen gestellt worden war, sorgte für Unmut. Es war kein Wettbewerb ausgeschrieben worden, an dem sich heimische Künstler hätten beteiligen können. Die Ziele des Personenkomitees wurden von etwa 1.000 Personen in einer Unterschriftenaktion unterstützt.[vi]

Das Bundesdenkmalamt wurde eingeschaltet, es gab einen vorläufigen Stopp für die Umgestaltung des Platzes. Auch Landeshauptmann Erwin Pröll schaltete sich zwei Mal ein und arrangierte eine Aussprache „zwischen Bürgermeister, Bürgerkomitee und Baudirektion.“[vii] Nach der Präsentation eines maßstabsgetreuen Modells des gesamten Hauptplatzes Anfang April 1993 und zahlreichen klärenden Gesprächen gab das Bundesdenkmalamt grünes Licht für das Projekt.

Neben all den Kritikern traten aber auch Befürworter des Projekts auf. Diese vertraten die Meinung, dass „sich der Hundertwasser-Brunnen großartig inmitten eines Freibereiches vom architektonisch „bunten Stilgemisch“ des Hauptplatzes abheben wird.“[viii] Sie vermuteten, dass die Zwettler ein Kunstwerk bekommen würden, um das sie schon damals viel beneideten. „Zwettl brauche ein autofreies Kommunikationszentrum für jung und alt, der Hauptplatz mit dem Brunnen sei hiefür der ideale Platz“,[ix] hielt man fest.

Die Stadtverwaltung bewies Durchhaltevermögen und beauftragte, schließlich mit Rückhalt durch das Bundesdenkmalamt, Friedensreich Hundertwasser mit der künstlerischen Ausführung des neuen Brunnens am Hauptplatz. Beim Pfingstpektakel 1994 wurde der neu gestaltete Hauptplatz mit modernem Brunnen offiziell eröffnet. Viele Besucher kamen, um das Kunstwerk zu begutachten.

Schon bald nach der Fertigstellung legte sich die Aufregung. Die Bürger gewöhnten sich an das bunte, einzigartige Kunstwerk, das sich entgegen allen Befürchtungen im Vorfeld gut in das historische Ensemble am Hauptplatz einfügte. Schließlich hatte der Künstler die Farben der historischen Bauten rundum aufgegriffen und im Brunnen widerspiegeln lassen.

Heute ist der Brunnen eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Wie es Hundertwasser hoffte, wurde der Hauptplatz zu einem wahren Zentrum. Auf den Bänken unter dem Pavillon und rundum sitzen oft Einheimische und Gäste und plaudern oder schlecken im Sommer Eis. Es gibt wohl kaum ein Zwettler Kind, das nicht schon am Brunnen „gepritschelt“ hat und vielleicht sogar bei einem Balanceakt vom Rand der großen Schalen hineingeplumpst ist.

Doch der Brunnen ist in die Jahre gekommen. Frost, Witterung und Kalk haben ihm zugesetzt. Daher beschloss die Gemeinde am 19. März 2019 die Generalsanierung der Brunnenanlage. Für „den kompletten Abtrag der sehr desolaten Kacheln und einer dem Bestand angepassten Neuverfliesung beider Brunnen wurden heimische Firmen“[x] herangezogen.

Manuela und Martin Hrouza aus Friedersbach sind die Spezialisten für die Herstellung der Keramikelemente und -fliesen. Gerhard Liebenauer aus Jahrings übernahm mit seinem Team die Projektleitung und die Fliesenarbeiten direkt am Brunnenensemble. Obwohl die „Hundertwasser Gemeinnützige Privatstiftung“ keine speziellen Auflagen in planerische und ausführungstechnischer Hinsicht für die Sanierung stellte, war man bemüht, den Brunnen möglichst originalgetreu wieder herzustellen.

Friedensreich Hundertwasser war die gerade Linie ein Graus, er hielt sie für unnatürlich. Ganz in seinem Sinne wurde bei der Renovierung daher jede Fliese – die kleinsten sind 10 x 10, die größten 20 x 20 Zentimeter groß – von den Hrouzas handgemacht. Die Glasuren stellten die beiden vor eine große Herausforderung. Nach Rücksprache mit der Firma, die in den 1990er Jahren für die Fliesenherstellung zuständig war, stellte sich heraus, dass die Originalrezepte nicht mehr gemischt werden konnten, weil sich die einzelnen Zutaten in den letzten 26 Jahren zu stark verändert hatten oder heute gar nicht mehr verfügbar sind. Daher starteten die Hrouzas Experimente und mischten über 20 Glasuren in „Hundertwasserfarben“ speziell für die Restaurierung. Rot war besonders gefinkelt, weil diese Glasuren bei höheren Temperaturen braun werden. 

Die großen Keramikkugeln, auf denen die Brunnenschalen ruhen, forderten die Kunsthandwerker besonders. Sie nahmen von den Originalen Schablonen ab und stellten passgenaue, neue Kugeln her. Martin Hrouza konstruierte auch eigene Stützen für einzelne Keramikelemente, damit diese den Trocknungsprozess heil überstanden. Die Kugeln mussten in Einzelsegmenten gebrannt werden, denn es gibt keinen so groß dimensionierten Brennofen. Es war jedes Mal aufs Neue spannend, den Brennofen zu öffnen. Hatten die Kugelsegmente den Brand schadlos überstanden? Hatte sich die Glasur rissfrei eingebrannt?

Die Hrouzas verstehen ihr Handwerk! Meist ging alles gut beim Formen und Brennen. Trotzdem blieben ihnen allein von den Experimenten einige Keramikelemente über. Sie planen damit bei ihrer nächsten Ausstellung eine Säule „à la Hundertwasser“ zu gestalten.

Insgesamt verarbeiteten die Hrouzas etwa 5 Tonnen Ton. Jedes Element, jede Fliese hatten sie während des Arbeitsprozesses 20 bis 30 Mal in Händen. Erst dann konnten sie die fertigen Fliesen und Teile beim Brunnen am Hauptplatz Gerhard Liebenauer übergeben. Der Profifliesenleger musste ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten alle Fliesen, Randelemente und Kugeln ein wenig krumm und schief – ganz in der Tradition Hundertwassers – verlegen. Dies fiel ihm wahrscheinlich anfangs ein wenig schwer, denn schließlich war sein Sohn Thomas 2013 bei der Berufsweltmeisterschaft in Leipzig Weltmeister im Fliesenlegen geworden. Dort kam es auf exaktes Lot, genaue Flucht, feine Fugen und gerade Winkel an. Ein Millimeter Abweichung hätte den Sieg kosten können.

Manuela und Martin Hrouza und Gerhard Liebenauer sind sehr stolz auf ihre Renovierungsarbeiten beim Hundertwasserprojekt. Dank ihrer professionellen Arbeit wird der Hundertwasserbrunnen in den kommenden Jahrzehnten das Stadtbild schmücken.

[i] Neue NÖN Zwettler Zeitung, 21. Jänner 1993.

[ii] Neue NÖN Zwettler Zeitung, 25. Februar 1993.

[iii] Neue NÖN Zwettler Zeitung, 25. März 1993.

[iv] Neue NÖN Zwettler Zeitung, 4. März 1993.

[v] Ebenda.

[vi] Neue NÖN Zwettler Zeitung, 26. Mai 1993.

[vii] Ebenda.

[viii] Neue NÖN Zwettler Zeitung, 8. April 1993.

[ix] Ebenda.