Ein kleiner Gewerbebetrieb entsteht vor den Toren Zwettls

Veröffentlichungsdatum29.04.2021Lesedauer2 Minuten

Beim Ausräumen seines neu erworbenen Hauses in der Kremser Straße fand Thomas Zimmermann einen alten Ordner mit der ominösen Aufschrift „Papiere, Haus“. Als er dessen Inhalt näher untersuchte, staunte er nicht schlecht. In dem Ordner fanden sich Kaufverträge, Baupläne, technische Baubeschreibungen und genaue Kostenvoranschläge ab dem Ende der 1940er-Jahre. Thomas Zimmermann scannte fachmännisch alle Unterlagen und überließ dankenswerter Weise die Originale dem Stadtarchiv Zwettl zur weiteren Verwendung. Dieser Neuzugang ist eine Bereicherung, denn er bietet einerseits einen Einblick in die (Bau-)Geschichte des Hauses in der Kremser Straße. Anderseits zeichnet er die Entstehung eines kleinen Betriebes am Stadtrand von Zwettl in den 1950er und 60er-Jahren nach.

Aus den Unterlagen geht hervor, dass das Grundstück an der Kremser Straße ursprünglich Sophie Renk, einer Kleinlandwirtin aus Niederstrahlbach, gehörte, die es an Anton und Maria Resch verkaufte. Die Familie Resch wollte dort ein Haus errichten, was mit einigen Schwierigkeiten verbunden war. Schließlich lag das Grundstück im „Feuerbereich der Bahn“, wodurch die Bauwerber zusätzlichen Bedingungen entsprechen mussten und eine eisenbahnbehördliche Genehmigung benötigten. Außerdem kam es Anfang der 1950er-Jahre zu einem Rechtsstreit um die Festlegung der Baulinie. Letztlich wurden alle Vorgaben erfüllt, und Familie Resch konnte mit dem Bau beginnen.

Die Unterlagen zeigen, dass es Mitte der 1950er-Jahre noch immer Mangel an Baumaterial gab. In einem Kostenvoranschlag wurde genau aufgelistet, was an Material bereits vorhanden war. Weiters plante Herr Resch, seinen kleinen LKW (Büssing NAG) nebst Anhänger bei weiterem Baufortschritt zu verkaufen, bzw. ihn gegen Tischlerarbeiten an Fenstern und Türen einzutauschen.

In jenem Ordner „Papiere, Haus“ fanden sich neben Quittungen für Baumaterialien und Abrechnungen mit Bauarbeitern aber auch die Ladung an Anton Resch zur Meisterprüfung im Landmaschinenherstellergewerbe, sowie die Konstruktionszeichnung zu seinem Meisterstück, einer „Schleifscheiben Welle für 2 Scheiben mit Kugellagern“. 

Familie Resch suchte um Wohnbauförderung an und musste dem Ansuchen Lohnbestätigungen beilegen. Maria Resch arbeitet als Buchhalterin beim Steuerberater Otto Feistl in der Hamerlingstraße, ihr Ehemann Anton war Kraftfahrer und Mechaniker in der Raiffeisen-Molkerei Zwettl. Von Tochter Rosa ist eine Quittungskarte der Molkerei erhalten, wo sie als Hilfskraft angestellt war.

Nach Fertigstellung des Hauses machte sich Anton Resch selbstständig. In den Unterlagen finden sich ein Ansuchen um die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung zur Errichtung einer Schlosser- und Mühlenbaubetriebsanlage, ein weiteres um die Bewilligung einer Werkstätte und Montiergrube sowie eines für die Errichtung einer Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte. Aus Beitragsrechnungen zur Gebietskrankenkasse ist zu erfahren, dass Herr Resch zwei Mitarbeiter beschäftigte. So zeichnen die Unterlagen ein klares Bild von der Entstehung eines kleinen Betriebes am Rande der Stadt Zwettl, das nun, Dank der Umsicht von Thomas Zimmermann, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich ist. 

Blick vom PropsteibergBlick vom Propsteiberg Richtung Lagerhaus, nach 1923

Blick von der SchulgasseBlick von der Schulgasse zur Syrnau: von rechts: Silo, Lagerhaus, Brennerei, Molkerei, Straßenmeisterei, 1960er Jahre