Thema des Monats April 2022

Veröffentlichungsdatum01.04.2022Lesedauer3 Minuten
Schreiben

Schreiben der Bezirkshauptmannschaft von 1872

Am 9. April 1872 erreichte ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Zwettl die Gemeindeverwaltung, mit dem Bezirkshauptmann Guido Knolz darauf aufmerksam machte, dass die Maul- und Klauenseuche unter Rindern bereits stark grassierte. Man vermutete, dass die Hauptursache für die Verbreitung dieser gefährlichen Krankheit im Schweinetreiben zu suchen war.

Im 18. und 19. Jahrhundert wurden im Waldviertel selbst nur wenige Schweine gehalten, stattdessen blühte der Schweinehandel mit Ungarn in dieser Zeit auf. Händler kauften in Südungarn, Siebenbürgen und auf den noch weiter entfernten Märkten in Kroatien und Serbien Schweine ein und führten sie in großen Trieben im Umfang von 400 bis 600 Tieren über verschiedene Stationen bis nach Österreich und Bayern. Besonders beliebt waren fettreiche Magalitza-Wollschweine aus der Gegend des Bakonyerwaldes. Durch den großen Bestand an Buchen und Eichen eignete sich dieser besonders für die Schweinemast im Wald. Die Bakonyer Schweine wurden von Unterhändlern, „Sautreiber“ genannt, von Dorf zu Dorf getrieben und auf regelmäßig stattfindenden Viehmärkten der heimischen Bevölkerung zum Kauf angeboten. Ein solcher Sautrieb konnte zwischen 40 und 100 Schweine umfassen. Gefüttert wurden sie jeden Morgen mit Mais und Kleie, das restliche Futter mussten sie sich eigenständig am Wegrand suchen. Einige Schweinehändler wurden durch ihr Gewerbe so wohlhabend, dass sie als Schweinebarone bezeichnet wurden.

Durch diesen lebhaften Schweinehandel wurden aber immer wieder Krankheiten eingeschleppt, wie eben die Maul- und Klauenseuche. Das führte ab 1881 zu strengen Einfuhrgesetzen, wodurch der Schweinehandeln mit Ungarn schließlich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein abruptes Ende fand.[1]

Der Bezirkshauptmann wies in seinem Schreiben auf einen Erlass der Statthalterei vom 20. März 1872 hin und ermahnte den Gemeindevorstand eindringlich, die Bestimmungen dieser Verordnung strikt einzuhalten und insbesonders bei Schweinetrieben die nachfolgenden Maßnahmen einzuhalten bzw. durchzuführen:

Ortschaften, welche öfter von Viehtreibern passiert werden, sichern ihr Vieh am besten vor Ansteckungsgefahr, wenn die den Treibern den Weg durch die Ortschaften nicht gestatten, sondern ihnen denselben um den Ort herum, am besten in einiger Entfernung von demselben, und abgelegen von den Viehweiden anweisen.

Wo dies nicht möglich ist, müssen zur Zeit wo das fremde Vieh passiert, die Ortseinwohner ihr Vieh in den Ställen eingesperrt halten, bis die Triebherde den Ort durchzogen hat, und die Strasse von allem Unrathe sorgfältig gereiniget worden ist; dieser muß auf einem mit Pferden bespannten Wagen ausgeführt, auf einem abgelegenen, dem Vieh nicht zugänglichen Orte entweder ausgebreitet oder verscharrt werden; das hiebei verwendete Individuum darf erst nach sorgfältiger Reinigung sich mit dem einheimischen Viehe beschäftigen.

Trifft es sich, daß solche fremde Triebherden in der Nähe einer Ortschaft übernachten müssen, so sind dazu Plätze auszuwählen, die später von dem einheimischen Viehe nicht betreten werden, das Zusammenkommen dieses mit dem fremden, sowie der Treiber und Händler mit den Ortsbewohnern muß gänzlich hintangehalten werden. Ein besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, daß kein Stück von der Herde weggeschwärzt oder Kränklichkeit halber heimlich verkauft werde.

Deshalb oder wegen Ermattung zurückgelassene Stücke müssen durch wenigstens 10 Tage ganz abgesondert beobachtet und gewartet, und, falls sich während dieser Zeit die Erscheinungen einer ansteckenden Krankheit offenbaren sollten, sogleich erschlagen, seciert und vorschriftsmässig verscharrt werden.

Von dem, bei der Verpflegung einer Triebherde übrig gebliebenem Futter darf nicht das Mindeste für das einheimische Vieh verwendet werden.

Zwettl, am 9. April 1872

der Bezirkshauptmann

Knolz


Stadtarchiv Zwettl, Karton 73A, Reg.Nr. 211.

[1] Maximilian Martsch, Viehzucht und Viehhandel. In: Stefan Eminger, Oliver Kühschelm, Friedel Moll, Josef Prinz, Martin Scheutz und Roman Zehetmayer (Hgg), Geschichte der Stadt Zwettl, 3. Teil, Zwettl im 19. Jahrhundert. Soziale und wirtschaftliche Entwicklungen, S 51-55.